15.06.2021

Franziska Kessler im Interview

Franziska Kessler, welche Rolle spielt Kessler Kessler bei der AchtBerlin?

Daniel Kessler und ich sind die kreativen Bauherren-Berater. Wir stellen die Schnittstelle her zwischen den Architekten, den Fachplanern, Projektleitern und den Bauherren. Dadurch, dass wir während der einzelnen Bauphasen sehr präsent sind, sind wir ein stets gut informierter Ansprechpartner für die Bauherren, können ihre Wünsche und Bedürfnisse einfangen. Daniel ist die Anlaufstelle für alles Technische, das Bauliche. Bei mir kommt das Ästhetische, Gestalterische und die Kommunikation zusammen.

AchtBerlin ist die Betreibergesellschaft der Schönhauser Allee 8. Im Zentrum steht die Filmfirma DCM.

Ja, DCM ist sozusagen der Nukleus des Standorts. Die AchtBerlin ist für DCM eine emotionale Geschichte: Man hat in der Schönhauser Allee 8 schon lange als Mieter das Büro und wurde nun zum Besitzer der Immobilie. Da stellen sich auf einmal viele Fragen als neue Eigner. Die Bauherren haben sich diesen Fragen geöffnet und beschlossen, sich sehr persönlich diesem Projekt anzunehmen; es baulich und gedanklich wachsen zu lassen.

Was ist das Besondere an der AchtBerlin?

Die Synergie zwischen Alt und Neu, zwischen Historie und Zukunft!

Die Schönhauser Allee 8 wurde vor 100 Jahren gebaut und war immer ein Wohn- und Geschäftshaus, im Quergebäude gab es eine Seifenfabrik..

..und sie ist noch eine der wenigen ramponierten Schönheiten an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Mitte.

Vorne, zur Strasse hin, empfängt einen das alte Gebäude, hinten wird sich der Neubau anschliessen …

… und zwischen diesem Alt- und dem Neubau führen die beiden beauftragten Architekten einen Dialog der jeweiligen Gebäudeteile von Form, Materialsprache und Inhalten. Übrigens stellt der Sichtbeton des Neubaus einen diskreten Bezug zur Schweiz her, wo dieses ein aktuell wichtiges Baumaterial in der modernen Architektur ist.

Das gefällt den Schweizer Gründern von DCM.

Genau! Jedenfalls sehen wir es hier als unsere Aufgabe, aus den Stilrichtungen und architektonischen Merkmalen des Alt- und Neubaus eine harmonische Einheit entstehen zu lassen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Nehmen wir etwa die Hinterhöfe, also den neuen Lichthof und die imposante Fahrradrampe: Diese dominanten Architektur-Interventionen stellen eine spannende Verbindung her zwischen alt und neu. Ähnlich verhält es sich in den Gebäuden, z.B. mit den Bodenbelägen: Der rosafarbene Kautschukboden im Neubau wäre ebenso geeignet als Material für das historische Quergebäude. Jedoch in einer anderen Farbe! Im Vorderhaus ist geplant, die alten Holzböden möglichst zu erhalten und zu restaurieren, aber gegebenenfalls lassen sich Flächen auch mit einem anderen Material, vielleicht sogar Kautschuk, planen. So entsteht nicht zuletzt auch durch das Bodenmaterial in der AchtBerlin eine Zusammenfügung – ein roter Faden.

Welche Fragen stellten sich neben der Ästhetik?

Es handelt sich um ein Büro- und Wohngebäude. Diese Kombination aus öffentlich und privat macht das Projekt interessant. Durch die Pandemie haben sich die Arbeitswelten und -überlegungen stark verändert. Was ist das „neue Arbeiten“? Wie sind heute die Bedürfnisse, die Auflagen, aber auch die Möglichkeiten und die Befindlichkeiten jedes Einzelnen? Viele Mitarbeiter schätzen die Möglichkeit, zwischen Homeoffice und temporärem Arbeitsplatz wählen zu können. Also fragt sich der Arbeitgeber: Wie viele feste Arbeitsplätze möchten wir als Firma haben, die unter Umständen oder zum Teil gar nicht täglich genutzt werden? Dadurch ergeben sich neue, flexiblere und interessantere Raumunterteilungen, Möblierungskonzepte und Arbeitswelten. Auch das Co-Working haben wir versucht, gemeinsam mit den Bauherren neu zu denken.

Das heisst konkret?

Weniger feste Wände, dafür freie Wandelemente und flexible Akustikparavents. Im Gestaltungskonzept geht es darum, den festen Arbeitsplatz ein Stück weit aufzulösen. Im gesamten Haus wird eine Dynamik des Kommunizierens und der Begegnungen entstehen, so könnte man in den Sitznischen im Lichthof arbeiten oder eine Konferenz in der Library Kitchen abhalten.

Im Neubau entsteht ein Kinosaal mit 70 Plätzen …

… wobei auch eine Konferenz mit bis zu 100 stehenden Personen darin stattfinden kann und die Leinwand sich für Präsentationen ebenso nutzen lässt.

Das Kino spielt also eine wichtige Rolle in der AchtBerlin?

Eine sehr wichtige! Im Grundkonzept des Architekten Thomas Kröger als „Vorführkino“ für DCM gedacht, hat sich der Raum mehr und mehr zu einem professionellen und öffentlichen Eventbereich und Multifunktionsraum entwickelt. Es soll ein kuratiertes Kulturprogramm geben, Lesungen etwa, Screenings natürlich, Podiumsdiskussionen und selbst Tanzperformances sind möglich.

Das Kino als eine Institution, die Moderne und Vergangenheit vereint, passt ausserdem ja sehr gut in das Projekt.

Ja, ein Kino hat heutzutage auch etwas Nostalgisches. In der AchtBerlin steht das Kino in erster Linie für das Emotionale. Es ist ein elementarer Teil des Projekts, denn es lässt Bewegung im Gebäude zu und lädt Menschen ein. Es öffnet das gesamte Haus – so wie die Library Kitchen im vierten Stock mit ihrem Zugang zur Dachterrasse, wie die Kinobar im Erdgeschoss und der architektonisch außergewöhnliche Lichthof im Untergeschoss, der von den Mietern vielfältig genutzt, aber auch von Externen gemietet werden kann. Und nicht zu vergessen das Gastronomieangebot im Erdgeschoss, wo sich ein Café von The Barn befindet sowie die Fleischerei, ein stadtbekanntes Restaurant.

Was ist Ihr persönlicher Hintergrund?

Ich habe viele Jahre als Journalistin gearbeitet, unter anderem für die deutsche „Vogue“, „Männer Vogue“ und „Elle“. Meine Themen waren früh Design, Kunst und Architektur, dies bereits in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Eine spannende Epoche international und besonders in Deutschland. In dieser Zeit entstand zusammen mit dem deutschen Designer und Innenarchitekten Herbert Jakob Weinand mein erstes Gestaltungsprojekt – das Gesamtkunstwerk und Designhotel „Bleibtreu“ in Berlin. Damals war es spektakulär wegen seines gesamtheitlichen Konzepts, das von der Materialisierung über die Architektur, die Kunst und den Human-Aspekt alles miteinschloss.

Mit meinem Mann Daniel Kessler, der Fotograf ist, gründeten wir dann 1995 unsere eigenen Designstudios in Paris und Zürich.

Wie hat Sie der Journalismus für Ihre Design-Arbeit geprägt?

Vom Journalismus und durch die Fotografie meines Partners haben wir gemeinsam das ästhetische Auge für Konzepte entwickelt – und versuchen stets diese Betrachtungsweise räumlich umzusetzen. Für welches Projekt auch immer: Sei’s ein Zimmer oder eine Wohnung, sei’s ein Restaurant in Moskau oder eine Bar in Tokio, ein Privathaus am Meer, eine Schweizer Kunst- und Designsammlung, ein Museum – wir haben keine Berührungsängste. Es geht uns um die Geschichten und die Menschen, die darin vorkommen. Und die AchtBerlin ist die Quintessenz aus all den vielen Geschichten.